Es
war im Mai 2003, als die beiden
italienischen Gruppen Ataraxia
und Autunna
et sa Rose ein gemeinsames,
akustisches Konzert in der Kirche
San Michele des italienischen Ortes
Rovigo gaben. Bei diesem Konzert
wurde der Grundstein zur Entstehung
der Doppel - CD "Odos Eis Ouranon -
La Via Verso il Cielo" gelegt,
welche gerade beim portugiesischen
Label Equilibrium Music in edler
Verpackung und in einer limitierten
Auflage von 2000 Stück erschienen
ist.
Zwar beinhaltet diese Veröffentlichung
zwei unterschiedlich betitelte CDs,
von denen es zu jeder auch ein eigenes,
umfangreiches Booklet gibt, aber
dennoch gehören die beiden Scheiben
zusammen wie Geschwister. Sie sind
die Dokumentation einer außergewöhnlichen,
akustischen Aufführung, welche in
beeindruckender Weise die essenziellsten
Klänge dieser beiden italienischen
Formationen wiedergibt.
Die
erste CD trägt den Titel
Strange Lights
und ist der Mitschnitt einer akustischen
Live - Performance, welche die Band
Ataraxia
im Februar dieses Jahres an
ihrem bevorzugten Aufnahme-Ort,
in den historischen Mauern von "S.
Ruffino", einspielte.
Während der bisher unveröffentlichte
Titelsong
Strange Lights
als Eröffnungslied dieser CD noch
von Meeresrauschen untermalt wird,
beginnt die eigentlich puristische
Darbietung erst mit dem zweiten
Lied
Shelmerdine.
Ab hier erklingt dann die für dieses
Album typische, intime Instrumentierung
aus Piano und akustischer Gitarre.
Wenn auch in einer Studiosession,
so wurde doch alles "live" eingespielt.
Dadurch wird diesem Album eine große
Intensität verliehen, welche den
Hörer spätestens ab dem dritten
Lied, einer überaus impressiven
Interpretation des Liedes
Bonthrop vom
vergriffenen Album Orlando, unweigerlich
in ihren Bann zieht. Begleitet von
klassisch gezupfter Gitarre und
angenehm warmem Pianorhythmus, erhebt
Sängerin Francesca Nicoli ihre mächtige
Stimme. Voller Inbrunst meistert
sie vokalistisch auch tiefste Oktaven
mit einem beeindruckenden Vibrato
und erzeugt dadurch wohlige Gänsehaut
beim Zuhörer. Der folgende Titel
Tu
es la Force du Silence greift
diese Stimmung auf und so wird der
Zuhörer auf dieser CD von einem
Lied zum anderen geleitet. Die Musiker
zaubern durch explizite Beherrschung
ihrer Instrumente eine Stimmung,
in welcher der Hörer baden, schwimmen
und versinken kann, gleich einem
Meer aus Klängen. Egal ob das fragile,
von einer Flöte eingeleitete
Ophélie von
der frühen CD
La Malédiction d'Ondine,
das von einem frühen Tape namens
Arazzi
aus dem Jahr 1993 stammende
Les Tisseuses Lunaires,
das bisher unveröffentlichte, mittelalterlich
anmutende
Seas of the Moon
oder der überraschend lässig und
leicht vorgetragene "Klassiker"
Oduarpa
- bei diesem Album wurde jedes Stück
mit der gleichen Hingabe umgesetzt.
Man kann hörbar nachvollziehen,
daß die Lieder doch Kinder der Musiker
sind, welche im Lauf der Jahre erwachsener
werden.
Auch den bereits bekannten Titeln
steht das klassisch - puristische
Gewand sehr gut. Deutlich kommt
dabei zum tragen, daß Francesca
in den letzten Jahren an ihrem Gesang
gearbeitet hat, er wirkt wesentlich
kontrollierter und keineswegs zu
kapriziös. Bei
Fuga Trionfale beeindruckt
sie durch mitreissende Emotionen,
welche sie
zu transportieren
im Stande ist. Gleiches gilt für
ihr beachtliches Oktavenspektum,
das beim Gesang des Liedes
Medusa besonders
deutlich zum tragen kommt
.
Ataraxia sind eine großartige Live
Band mit einem Gesamtkonzept, welches
sich aus visuellen, theatralischen
und musikalischen Komponenten zusammensetzt.
Seit der Bandgründung in den achtziger
Jahren assimilierten sie verschiedenste
musikalische Einflüsse - von Avantgarde
über Neoklassik bis hin zur Folklore
- ohne daß man sie dabei auf nur
eine einzige dieser Musikrichtungen
festlegen konnte. Ataraxia waren
immer
Ataraxia
und sie reflektierten lediglich
das, was auch zu ihrem Konzept passt.
Dieses konsequente "sich selbst
treu bleiben" macht wohl einen großen
Teil jenes Charmes aus, mit dem
sich die sympathischen Italiener
über viele Jahre hinweg eine stetig
wachsende und sehr treue Anhängerschaft
erarbeitet haben.
Bei Livedarbietungen präsentierten
sie ihre Lieder seit jeher mit einer
gewissen Schnörkellosigkeit. Dieser
Live- Purismus wurde mit der vorliegenden
CD Strange Lights wunderbar eingefangen
und sogar noch potenziert.
Im
Gegensatz zuAtaraxia
habenAutunna
et sa Rose bei uns bisher
noch keinen so großen Bekanntheitsgrad
erlangt. Seit 1997 traten sie
durch verschiedene Samplerbeiträge
(u.a. das Virgin Prunes
- Tribute-Album) und eigene Alben
(Sturm mit Steven
Brown von Tuxedomoon)
regelmässig an das Licht der Öffentlichkeit.
Auch bei dieser Formation rund
um den Musiker Disorder
spielt das visuelle, theatralische
Element eine tragende Rolle. Auf
der zweiten CD des vorliegenden
Doppelpacks mit dem Titel "Logos" ist der
originale Livemitschnitt des Konzertes
mitAtaraxia
in der Kirche San Michele
aus dem Jahr 2003 zu hören. Dargeboten
werden kammermusikalisch arrangierte
Kompositionen für Piano, Cello
und Sopranstimme. Mit den Liedern
werden Geschichten erzählt, oder
besser gesagt, sie werden aufgeführt.
Im Booklet kann man nachlesen,
worum es jeweils geht und was
dargestellt wird. So möge man
sich z.B. bei Landschaft
der Vergangenheit einen
Platz vorstellen, gleich den Bildern
von Paul Klee, an dem man all
die lieben Menschen wiedertrifft,
welche die Zeit einem nahm. Ein
schöner Gedanke, wie ich finde,
der ganz gut zur Musik passt.
Auf dem Album gibt es desweiteren
zwei Coverversionen, die eine
von Tuxedomoon (Egypt) und die
andere vonAtaraxia
( Canzona), beide
in einer jeweils eigenwilligen
Interpretation. Als besonders
stimmungsreich erweist sich das
sehnsüchtig vorgetragene Caresses aux Coers.
Es ist anzunehmen, daß diese VeröffentlichungAutunna
et sa Rose zu weiterer Popularität
verhelfen wird.
Das
portugiesische Label Equilibrium
Music, welches bereits das Solodebut
des Ataraxia-Gitarristen Vittorio
Vandelli "A Day of warm Rain
in Heaven" produzierte,
beweist mit dieser Veröffentlichung
hohes Qualitätsbewußtsein, ein
Besuch der Label - Webseite www.equilibriummusic.com/
ist
durchaus empfehlenswert.
Die beiden Odos Eis Ouranon
- CDs gehören und passen konzeptionell
zusammen, wobei sie dem Hörer
quantitativ knapp zwei Stunden
italienischer ("Neo"-)Klassik
von hoher musikalischer Qualität
präsentieren. Durch die dabei
eingegangene Kollaboration werten
die beiden Formationen einander
auf, aber keiner stellt den anderen
in den Schatten, dazu wären beide
Projekte auch zu eigenständig.
Am besten lauscht man in dieser
Jahreszeit einer
solch intensiven Gesamtdarbietung
vielleicht
zum Sonnenuntergang bei einem
Glas italienischem Rotwein und
versteht dabei noch besser die
Bedeutung des Subtitels "la via
verso il cielo", welcher übersetzt
lautet: "Der Weg direkt in den
Himmel".